Für unser Portrait haben wir dieses Mal mit Felix Große-Lohmann von MFA – Material Für Alle gesprochen. MFA ist eine Organisation für die Etablierung nachhaltiger Materialkreisläufe im Kulturbetrieb in Frankfurt und der Rhein-Main-Region. 2019 gegründet vermittelt Felix mit seiner Organisation Gebrauchtmaterialien aus dem Kulturbetrieb für maximal die Hälfte des Neupreises. Damit sich das auch rentiert hilft MFA beim Abbau von Ausstellungen, entwickelt neue Ausstellungsarchitekturen und hat zuletzt sogar die MFA App entwickelt, mit der Materialien digitalisiert und für User und Kooperationspartner zugänglich gemacht werden können.
Die Entstehung einer innovativen Initiative
Als Mitarbeiter in Museen hat Felix miterelebt, wie viel in dem Betrieb alltäglich weggeworfen wird, während Künstlerinnen oftmals auf der Suche nach genau solchen Materialien waren. 2011 lernte er schließlich bei einem Besuch in New York das Material for the Arts (MFTA) kennen, welches von der Künstlerin Angela Fremont 1981 gegründet wurde und städtisch verwaltet ist. Dort können Non-Profit-Organisationen, Regierungsbehörden, öffentliche Schulen, Kunst- und Kulturschaffende, sowie Lehrende kostenfrei Materialien bekommen, die von Firmen, Institutionen und Privatpersonen aus dem Stadtgebiet gespendet wurden.
Das war die Initialzündung vergleichbare Strukturen für die Kultur- und Kreativwirtschaft in Frankfurt am Main zu schaffen. Eigentlich wollte Felix Große-Lohmann sich in einer Promotion damit befassen, wie Materialien und ungenutzte Ressourcen aus künstlerischen und kuratorischen Kontexten im Stadtgebiet gesammelt, erforscht und kreativ nutzbar gemacht werden. Er wollte erforschen, welche kulturpolitischen und institutionellen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um urbane Ressourcen zu nutzen und kreative Entwicklung zu fördern. Doch weil die weggeschmissenen Materialien ein ganz konkretes Problem sind, entschließt er sich für einen ganz praktischen Umgang, mietet 2018 eine kleine Lagerhalle von 90 m² an und beginnt die Organisation aufzubauen. Denn, Frankfurt hat mit seiner Vielzahl an Museen, Theater und Bühnen die Möglichkeit eine Vorreiterrolle im Bereich der Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb einzunehmen. Doch: Es braucht Platz!
Die Chancen nutzen, die Frankfurt bietet
Kunstproduktion und ihre Präsentation, u.a. in Ausstellungen, sind maßgeblich durch den innovativen Einsatz von Materialien geprägt. Dabei sind die Ressourcen bekanntermaßen auf allen Seiten knapp. In Frankfurt gibt es viele große internationale Produktionen – also viel Material. Gleichzeitig fehlt es besonderes hier an Platz, um diese Ressourcen zugänglich zu machen. Der geringe Weiterverkaufspreis macht das wirtschaften auf einer 90m² Fläche nur über den Materialverkauf unmöglich. Daher wird MFA seit 2019 auch für Ausstellungsauf- und Abbau, sowie die Lagerung und Weiterverarbeitung aktiv. Das Zukunftscredo ist daher “Klasse durch Masse”. Hierfür sind weitere Lagerflächen nötig, die in Zusammenarbeit mit der Stadt und der FES erschlossen werden könnten. So könnte der kleine ressourcenintensive Wirtschaftskreislauf vergrößert werden, indem Ressourcen nachhaltiger genutzt und strukturiert werden. Dadurch ergeben sich multilokale, effizientere und inklusivere Netzwerke. Das Modell hat das Potential für eine WIN-WIN-WIN Situation – wenn alle mitmachen.
Eine App kann helfen
Damit das gelingt, gilt es sich auf die Koordination der Materialflüsse zu konzentrieren. Gemeinsam mit dem Fachbereich Digital Design Unit der TU Darmstadt wird daher ein erster use case für die Materialvermittlung in einer App strukturiert. Die App funktioniert als B2B und B2C Plattform. Institutionen und Unternehmen können ihre überschüssigen Materialien hier archivieren, teilen und zum kreativen Wiedereinsatz z.B. in CAD Gestaltungsprogrammen zur Verfügung stellen und damit Entsorgungskosten sparen und Müll vermeiden. Zudem können reale Transporte über die App organisiert werden. Die Digitalisierung spielt für das Innovationspotential der Nachhaltigkeitsindustrie Circular Economy eine wichtige Rolle, da z.B. Fragen der Verfügbarkeit, Bemaßung und Wiederverwertung digital einfacher gelöst werden können als bisher.
Die Innovation geht weiter
Um das ganze Materialaufkommen im Frankfurter Kulturbetrieb weitervermitteln zu können braucht es aber viel mehr Platz, als das 90m² kleine Lager. Mit Hilfe der MFA App ließe sich auch eine dezentrale Lagerung realisieren, da alle Materialien immer noch zentral einsehbar blieben. In Anbetracht des vielen Raumes, der derzeit im Frankfurter Innenstadtgebiet für Downcycling zur Verfügung steht, wäre schon viel damit getan, wenn ein gewisser Teil dieser Flächen für Upcycling, Reparaturen und Wiederverwertung zur Verfügung gestellt würden. Doch dahinter stehen politische Entscheidungen, die Felix mit seinem kleinen Team nicht ganz alleine wird anstoßen können. Da braucht es breitere Bündnisse, wie etwa die Initiative der Bundeskulturstiftung, die eine Umwelterklärung sowie einen Kompass für nachhaltiges Produzieren im Kulturbetrieb erstellt hat.
Und damit langfristig eine Umstellung des Wirtschaftssystems auf neue nachhaltige Wertschöpfungsketten gelingen kann, braucht es lokale und kollektive Ansätze, wie die Initiative Material für Alle und das Re-Use Netzwerk in Hessen, denn in solchen Zusammenhängen werden neue Handlungsweisen erdacht. Und nur wenn diese vorgelebt werden, kann die Politik diese auch unterstützen.